Voll besetzt war am Abend die St. Andreas Kirche. Der Gospelchor Gönningen ist ein fester Bestandteil der hiesigen Gospelszene.
Seit 25 Jahren besteht der Chor und seit 15 Jahren wird er von Klaus Rother geleitet. Die Sängerinnen und Sänger wurden souverän am Keyboard von Herwig Rutt begleitet. Neunzehn Frauen und acht Männern interpretierte die Gospelmusik ausgelassen und temperamentvoll, ja auch einfühlsam und leise. Die Solisten waren ausschließlich Mitglieder des Chores, wobei Denise Wiebusch vor allem mit ihrer hervorragenden Stimme mit einigen Songs überzeugte und mit großem Beifall belohnt wurde.
Stehend mit rhythmischem Applaus verabschiedeten die Zuhörer nach einigen Zugaben den tollen Gospelchor. Vielen Dank für den gelungenen Konzertabend.
Zur Entstehung der Gospels
Gospel ist nach deutschem Sprachgebrauch die christliche afroamerikanische Stilrichtung, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus den Negro Spirituels sowie aus Elementen des Blues und des Jazz entwickelte.
„Gospel ist nicht der Sound, der Klang – es ist die Botschaft. Wenn es von Jesus Christus handelt, dann ist es Gospel.“
Entstanden sind die Gesänge schon sehr früh. Sehr früh verschleppten portugiesische und spannische Eroberer im frühen 17. Jahrhundert Afrikaner nach Nordamerika. Sie wurden mit Waffengewalt zum Sklavendienst gezwungen, vor allen Dingen als Arbeitskräfte auf den Plantagen. Diese sangen schon auf den Schiffen traurige, sehnsuchtsvolle Lieder – aber auch Mut machende Lieder. Das emotionale Singen und Tanzen der Sklaven bei der Arbeit und bei Versammlungen waren ein lebensnotwendiger Ausdruck ihrer Identität.
Die Sklavenhalter versuchten schon früh, die Sklaven zu „zivilisieren“. Sie glaubten, dies zu erreichen, indem man sie zum christlichen Glauben bekehrte. In den Liedern der Afroamerikaner kommt unter Anderem die Hoffnung auf ein besseres Leben zum Ausdruck. Sie identifizierten sich sehr stark auch am Volk Israel des Alten Testaments, das sich aus der Sklaverei in Ägypten befreite.
Die ersten Lieder waren Psalme und Choräle, es waren langsame und getragene Melodien, die ein Prediger vorsang und von den Menschen nachgesungen wurden. Eigentlich waren sie damit nicht so sehr angetan, sie begeisterten sich eher für die rhythmischen Lieder der methodistischen Kirche. Auf dieser Grundlage bildete sich vor allem auf dem Land im Süden Amerikas die „Negro Spirituals“. Wesentliches Merkmal ist das Ruf-Antwort-Schema. Diese Lieder wurden einstimmig gesungen. Sie wurden halb gesprochen, halb gesungen, sie animierten die Gemeinde zur Teilnahme in Form von Zurufen und Klatschen. Ganz allmählich entwickelten sich aus diesen gemeinsamen Improvisationen feste Melodien.
Ab 1773 wurden den Afroamerikanern offiziell erlaubt, sogenannte „Negerkirchen“ zu gründen. Die sollte die Trennung der „weißen“ und „schwarzen“ Kirchen bewirken. Zu diesem Zeitpunkt gab es schon eine eigene Musikkultur und 1801 erschien das erste „schwarze“ Gesangbuch. Die Texte der Lieder waren nicht nur Ausdruck des Glaubens, sondern hatten oft eine zweideutige Weise der politischen und sozialen Situation der Schwarzen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich dann die mehrstimmige Form der Negro Spitituals. Vielen schwarzen Christen wurden alte Kirchengebäude überlassen, da die weiße Christengemeinde zu groß geworden war und man sich größere Kirchenbauten erstellte. In den alten Kirchen waren zum Teil Harmoniums oder Klaviere. Jetzt entwickelte sich eine Liedkultur zusammen mit den Instrumenten.
1865 wurde in allen amerikanischen Staaten die Sklaverei abgeschafft. Viele wurden arbeitslos. Zahlreiche Hilfsorganisationen versuchten, den freigelassenen Sklaven eine Ausbildung zu ermöglichen. George White leitete einen Chor, indem er mit schwarzen Studenten Volkslieder und Negro Spirituals sang.
Mit diesen Liedern hatten sie einen großen Erfolg, es entstanden weitere Gruppierungen. Diese Lieder fanden eine große Verbreitung auch unter der weißen Bevölkerung. Es begann eine „Auswanderung“ aus den Südstaaten in die Städte, sodass diese Musik auch dort ihren Einzug hielt. Um 1900 gründeten sich neue, sektenartige Religionsgemeinschaften. Emotionale Rufe, improvisiertes Singen zogen viele Afroamerikaner an, es entsprach ihren afrikanischen Ursprüngen.
Die schwarzen Kirchen versuchten zunächst, die Einflüsse des Jazz in ihre Musik zu unterbinden, doch die Entwicklung war nicht aufzuhalten.. Mit dem veränderten Sound änderte sich auch der Name der Musik. Da sich die Texte nun mehr auf das Neue Testament bezogen, wurde nicht mehr vom Negro Spiritual, sondern vom Gospelsong gesprochen. Die Musik wurde später auch nach Europa gebracht.
Bis in die 50er Jahre konnten sich die Afroamerikaner in der Kirche frei ausdrücken. Für die politischen Gedanken und Diskussionen war die Kirche der wichtigste Versammlungsort. Die größte Friedensbewegung gründete sich so 1955 unter Pastor Martin Luther King.
Je nach Region entwickelten sich andere Formen von Gospelmusik in der Synthese mit anderen Musikstilen, beispielsweise der Country- und Dixieland-Musik.
Beim Gospelkonzert am 04.12.2016 in der St.-Andreas-Kirche in Reutlingen-Orschel-Hagen konnten die Besucher die Musik hören, die Lieder wurden in englischer Sprache gesungen, die nicht ohne weiteres verstanden werden konnte. Hier Übersetzungen von einigen der Lieder, die an dem Abend aufgeführt wurden. Dies wurde mir vom Gönninger Gospelchor freundlicherweise überlassen, dafür herzlichen Dank.
Hier einige Übersetzungen der Gospels, die in dem Konzert gesungen wurden:
I smile
Heute ist ein neuer Tag, aber ohne Sonnenschein. In meinem Herzen ist es dunkel und es fühlt sich an wie eine kalte Nacht. Wo ist die Liebe und die Freude, die du mir versprochen hast? Ich hätte fast aufgegeben, aber eine unerklärliche Kraft ist wie Wasser vom Himmel gefallen … Ich lächle, auch wenn ich verletzt bin, ich lächle, ich weiß, dass Gott am Werk ist … du siehst so viel schöner aus, wenn du lächelst, kannst du für mich lächeln?
We have come into this house
Wir sind in diesem Haus zusammengekommen, um Gott zu preisen und zu ehren.
Hear my cry, oh god
Höre mein Rufen, Gott, erhöre mein Gebet. Ich rufe dich an, vom Ende der Welt … Führe mich zu dem Felsen, der höher ist als ich. Denn du bist meine Zuflucht, ein starker Turm gegen den Feind.
May the lord bless you (Segenslied)
Möge der Herr dich segnen, dich halten, sein Angesicht über dich erheben. Möge der Herr gnädig zu dir sein.
Hark the herald (Weihnachtslied)
Boten rufen überall: Ehre dem neugeborenen König! Friede auf Erden und Gnade …
Milky White Way
Ja, ich werde den geheiligten Weg gehen. Oh Herr, eines Tages werde ich ihn gehen. Ich werde hinaufgehen und Farbe bekennen. Ich werde mich der heiligen Botschaft anschließen. Ich werde meiner Mutter die Hände reichen und wir werden zusammen den Weg gehen. Ich werde den Herrn und seinen Sohn treffen und ihnen von dem Kummer dieser Welt erzählen, aus der ich gerade kam.
Mamaliye (Dank an unsere Mütter)
Schau, dort sind unsere Mütter. Lasst uns tanzen und singen. Wir danken euch, ihr Mütter, von ganzem Herzen. Wie schön ist es, nach Hause zurückzukehren.
Gabriella‘s Song
Mein Leben gehört jetzt mir. Ich habe diese kurze Zeit auf Erden bekommen. Und meine Sehnsucht hat mich hierher geführt. Alles, was mir fehlte, habe ich gewonnen.
The Preacher’s Wife (Medley)
1) Hold on, Help Is on the Way:
Wenn du verzweifelt bist, wird Er da sein. Wenn es dir nicht gut geht, zweifle nicht, sondern halte durch, Hilfe ist schon unterwegs. Vielleicht kommt Gott nicht, wenn du es gerade möchtest, aber er wird zur rechten Zeit da sein.
2) I Go to the Rock:
Wohin gehe ich, wenn es niemanden gibt, an den ich mich wenden kann? Mit wem spreche ich, wenn mir niemand zuhören möchte? Worauf stütze ich mich, wenn kein Fundament stabil ist? Ich gehe zu meinem Herrn, er ist der Fels im Treibsand, wenn ich Schutz oder einen Freund brauche. Auch Du kannst zu diesem Fels gehen.
Gerda Koppi, Reutlingen-Rommelsbach