Ökosozialismus – der Weg aus dem Zwang zum Wachstum

Nach einer zweijährigen Pandemie bedingten Pause lud die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) dieses Jahr wieder zum Neujahrsempfang in die methodistische Kirche Pliezhausen ein, der musikalisch umrahmt wurde durch vier junge Musiker der Musikschule. Pastor Thomas de Jong konnte als Gastredner mit Dr. Bruno Kern einen versierten Ökosozialisten, Theologen und Philosophen vorstellen, der in seinem Vortrag eloquent darlegte, dass es im „Zangengriff“ zwischen ökologischem Umbau und endlichen natürlichen Ressourcen nur noch um einen definiten geplanten Rückbauprozess der Wirtschaft bei einschneidenden Veränderungen unserer Lebensgewohnheiten im Sinne einer „Selbstbescheidung“ gehen kann, wenn wir unseren Planeten wirklich retten wollen. Konkret bedeutet dies, der dem Kapitalismus immanente Zwang zum Wachstum muss durchbrochen werden, weil sonst durch den weiter steigenden Ressourcenverbrauch – auch und gerade durch die Entwicklung neuer Technologien – langfristige Nachhaltigkeit unmöglich wird. Bei einer ehrlichen Energie- und Effizienzbilanz der gesamten Produktion muss der Aufwand der Energie während des ganzen Produktionsprozesses errechnet werden, unter Einschluss sozialer Komponenten und Gerechtigkeitsfragen. Einige seiner Beispiele: In der Entwicklungsphase verbraucht die Produktion eines E-Autos noch mehr Energie als ein herkömmlicher Verbrenner, und der Vorrat an dafür benötigtem Lithium, Kobalt und Graphit ist begrenzt. Ferner wird allein in der Automobilbranche 48 % der Aluminium-, 26 % der Stahl- und 12 % der Kunststoffproduktion verbraucht. In der Diskussion wurde eingebracht, je nach Gutachten variieren die Zahlen.

Als Lösungsmöglichkeiten im Sinne einer geplanten Exit-Strategie („Notbremse ziehen!“) nannte Bruno Kern zum einen denkbare ordnungspolitische Maßnahmen des Staates wie: verpflichtende Mehrwegverpackungen, Verzicht auf Prestigebauten, Umverteilung von oben nach unten, Ende des motorisierten Individualverkehrs, gerechtere Verteilung der Erwerbsarbeit in einer „Reparaturgesellschaft“ mit mehr menschlicher und weniger automatisierten Arbeit, mehr zivile gesamtgesellschaftlich wichtige Arbeit,  Änderung der Eigentumsordnung, Verbot von Kurzstreckenflügen usw.

Die 2. – wesentliche – Säule des Umbaus aber sind wir, die Bürger. Wir müssen uns „selbst ermächtigen“, unser Verhalten ändern und uns gegenseitig dazu ermutigen. Der Druck von unten wird mit zunehmendem Problemdruck sicher noch größer werden.

Diesen Impulsen schloss sich eine rege Diskussion an. Es gab Gegenargumente, z.B., dass viele Unternehmen – umweltbewusst – bereits auf eine Kreislaufwirtschaft umgestiegen sind, ihre ausrangierten Produkte zurücknehmen und diese recyceln oder Verweise auf die Marktwirtschaft, dass nur das möglich ist, was bezahlbar ist. Der Neujahrsempfang gab so viele Impulse des Nachdenkens.

Bruno Kern appelliert in dem Zusammenhang an die Kirchen, sich einzubringen in der Frage: Wie könnte ein zukünftiges Leben jenseits der gängigen Konsumvorstellung aussehen?  „Denn die knappste Ressource, die wir haben, ist unsere Lebenszeit“.

Angela Madaus  28.1.2023

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