Religiös kulturelle Schatzsuche – ein begeisternder Abend!

Die Kirchengemeinde Sankt Franziskus hat ein neues Format im Repertoire ihrer pastoralen Angebote, nämlich eine religiös-kulturelle Schatzsuche. Pfarrer Dietmar Hermann stellte beim ersten Abend am 21.6.23 die neue Reihe in seiner Einführung im Franziskussaal in Pliezhausen vor. Im vierteljährlichen Rhythmus sollen biblische Gestalten oder markante Persönlichkeiten aus der Kirchen- und Kulturgeschichte vorgestellt werden, die in Kunst, Musik und Literatur ihre Spuren hinterlassen und so auch unsere Kultur geprägt haben.

Den Auftakt machte Angela Madaus mit den Kontrastgestalten Judit und Rut aus dem Alten Testament, die aus kultursoziologischer Sicht interessant sind. Zunächst stellte sie Judit vor, die Retterin Israels und damit das weibliche Gegenstück zu Moses, die in der Kunst nach Maria und Maria Magdalena vermutlich am häufigsten rezipierte Frau. Sie ist faszinierend und abstoßend zugleich. Ihre Tat, die Enthauptung des assyrischen Feldherrn Holofernes war zwar eine Befreiungstat, ist aber trotzdem aufgrund der Art ihrer Ausführung verstörend: Das Haupt des Getöteten wurde von Judit mit Hilfe einer alten Magd in einen Sack gesteckt und anschließend im Triumph ausgestellt.

Vielleicht ist das der Grund, warum Judit in den christlichen Kirchen unterschiedlich rezipiert wird. Im Tanach, der jüdischen Sammlung der heiligen Schriften, hat sie keinen Platz, die Kirchen der Reformation halten die Geschichte Judits für apokryph (d.h. untergeschoben), also für falsch. Im katholischen Kulturraum dagegen wird sie prominent repräsentiert, in der Musik (Mozart und Vivaldi), der Literatur (Hebbels gleichnamiges Theaterstück) und vor allem in der bildenden Kunst. Das bekannteste Gemälde dürfte Die Enthauptung des Holofernes von Caravaggio (* 1571) sein, das parallel zur Lektüre eingeblendet wurde.

Das Gegenbild dann die kleine Geschichte von Rut, der Moabiterin, eine Heldengeschichte ganz anderer Art, die erzählt wird ausschließlich aus der Sicht von Frauen. Ruts Schwiegermutter Naomi plant nach ihrer durch den Tod ihrer Söhne und ihres Mannes erzwungenen Rückkehr aus Moab zielgerichtet die Integration ihrer Schwiegertochter und ihre eigene Absicherung. Der reiche Landbesitzer Boas heiratet zur Freude aller Rut, die Fremde aus Moab, und „löst“ dadurch beide Frauen, die so sozial abgesichert sind. Rut bekommt einen Sohn, Obed, und wird dadurch zur Urgroßmutter König Davids.

Eingerahmt wurde dieser Themenabend durch Simon Madaus, der eigene Liedkompositionen mit Gitarre und Gesang – thematisch passend – darbot. Alle Anwesenden waren sich einig: es war ein informativer und dennoch kurzweiliger Abend!

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