Kirchenentwicklung – Vielfalt auf dem Weg

Mit einer empathischen Vergegenwärtigung der „Hymne an die Nacht“ aus „Tristan und Isolde“ riss der bekennende Wagner-Fan und in Paderborn lehrende Pastoraltheologe, Professor Dr. Wilhelm Tolksdorf, schon zu Beginn seines Vortrags am 27.4.24 sein Publikum mit: Es ist Nacht – auch in der Kirche, die Zeit gerät aus den Fugen, Gewissheiten schwinden, die öffentliche Geltung der Institution Kirche nimmt immer mehr ab, allerorten herrscht eine gewisse Ratlosigkeit.

Was tun? Reformen sind nötig, aber welche und wo sollen sie stattfinden? Die alte Volkskirche, in die man hinein sozialisiert wurde, existiert nicht mehr, religiöse Grundkenntnisse verdampfen und Praktiken müssen – z.B. im Kommunion- oder Firmunterricht – vielfach neu erlernt und eingeübt werden.

Prof. Tolksdorf Fazit: Kirche muss „in die Offenheit gehen“, sich der Wirklichkeit positiv zuwenden. Was heißt das aber konkret?

Da die katholische Kirche, soziologisch gesehen, „eine ausgesprochen komplexe Sozialform“ darstellt, ist von einer Mehrebenen-Struktur auszugehen (Gemeinde, Diözese, Bistum, Papst), wobei jede Ebene einerseits einen Kosmos für sich darstellt, die verschiedenen Aktionsebenen aber ineinandergreifen. Die katholische Kirche ist bekanntlich hierarchisch strukturiert; Reformmöglichkeiten ergeben sich daher nach Tolksdorf nur auf der unteren, also der Gemeindeebene, von wo aus ein – zwar zugegeben langsamer – „Traditionsstrom“ nach oben entsteht. Man könnte auch so sagen: Was sich angesichts diverser Probleme (Priestermangel“) in der Praxis an Veränderung ergibt bzw. ermöglicht wird – z.B. das Taufsakrament ausgeübt durch Pastoralreferentinnen und – Referenten -, wird nach oben „weitervermittelt“. Prof. Tolksdorf ist der festen Überzeugung, dass „römische Entscheidungen“ zukünftig daher vor allem „Moderationsentscheidungen“ sein werden, also Entscheidungen, die von unten angestoßen worden sind.

Fazit: Es kommt also auf die Basis an. Das Pastoralteam, die Ehrenamtlichen und alle Gemeindemitglieder müssen „auf einander zuwirken“, Kirche als „Gestaltungsraum“ verstehen und nutzen, pastorale Orte der Begegnung finden und Netzwerke schaffen, neue Praktiken und „Vollzugsformen“ ermöglichen, im Bewusstsein, dass die Gemeinde zwar nicht die ganze Kirche darstellt, aber dennoch eine „Ganz-Kirche“ ist, in dem Sinne, dass sich in ihr Kirche verwirklicht.

Es geht darum, angesichts der vielen Nöte und Verunsicherungen unserer Welt auf der Gemeinde-Ebene „bergende Orte der Begegnung“ zu schaffen, Vielfalt zu leben, womit sich der Kreis schließt.  (Angela Madaus)

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