Dr. Yassir Eric, Bischof der anglikanischen Kirche und Leiter des europäischen Instituts für Integration, Migration und Islamthemen, zu Gast beim Neujahrsempfang des ACK (Arbeitskreis christlicher Kirchen) in Pliezhausen in der evangelisch-methodistischen Friedenskirche am 30.1.2025
Selten hat man die Gelegenheit, authentische Informationen über die Folgen einer Konversion vom Islam zum Christentum zu bekommen und zu erfahren, vor welche Zerreißprobe diese tiefgreifende religiöse und kulturelle Wandlung beziehungsweise Neuausrichtung einen Menschen stellt.

Aus eigener Erfahrung schilderte Yassir Eric sein Aufwachsen in einer streng gläubigen muslimischen Familie im Sudan, die ihm als Kind alles bedeutet hatte. Mit 8 Jahren kam er für 2 Jahre in eine Koranschule, in der er radikalisiert und zum Hass gegen Christen erzogen wurde, in seinen Worten: „Meine Kindheit wurde dort begraben.“ Seine Familie war in die Massaker gegen die Christen im Südsudan involviert, Toleranz war in Wort und Tat unbekannt. Über 2 koptische Christen, die ihn in einer schwierigen Situation aufgefangen haben, hat ihn, wie er sagte, „die Liebe Christi erfasst“. Er kam ins Gefängnis, konvertierte, verlor dadurch seine Familie, für die er seither tot ist, und die Zugehörigkeit zu seiner community. Er studierte in Kenia evangelische Theologie und lernte dort seine schwäbische Frau kennen und konnte nach Deutschland entkommen. Deutschland ist ihm zur Heimat geworden, und er sieht seine Aufgabe heute darin, etwas von dem, was er hier empfangen hat, zurückzugeben. Da er aus eigener Erfahrung wusste, dass für die Konvertiten mit der Ausstoßung aus einer Kultur das größte Problem die innere Heimatlosigkeit darstellt, wollte er Brückenbauer sein für die Entwurzelten, die oft mit der neuen Freiheit überfordert waren. Er gründete eine globale Bewegung für diese konvertierten Christen, die, als globale Diözese verstanden, auch einer anderen Theologie bedurfte. Die kulturelle Vielfalt der Konvertiten verglich er mit einem bunten Blumenstrauß, der verwelkt, wenn er nicht gepflegt wird. Konkret geht es für diese Menschen darum, dass sie in ihrer neuen Heimat, z.B. in Deutschland, „Strategien der Daseinsbewältigung entwickeln“, um hier ihren Platz zu finden und „kulturfähig“ zu werden, wodurch problematische Parallelgesellschaften vermieden werden können.

Integration in diesem umfassenden Sinn ist weit mehr als Sprachvermittlung. Sie bedeutet, die gesellschaftlich verbindlichen Charakteristika der neuen Kultur kennenzulernen und zu akzeptieren (wie Religions- und Meinungsfreiheit, Gewaltmonopol des Staates und nicht des Mannes), die eigenen tief liegenden (z.B. geschlechtsspezifischen) Überzeugungen, Prägungen und Normen zu hinterfragen. Ein besonderes Problem stellt hier die Religionsfreiheit dar. Da im Islam außerhalb der Religion kein gesellschaftliches Zusammenleben möglich ist, muss der westliche säkulare Staat erklärt werden. Man muss miteinander sprechen, die Begriffe sortieren und ihre Bedeutung erklären, aber ihre Verbindlichkeit muss auch eingefordert werden. Yassir Erics Rat: „Mit kühlem Kopf über heiße Themen sprechen“, Kritisches nicht ausklammern, sondern thematisieren, Grenzen aufzeigen, um dann Geschichte(n) miteinander teilen zu können. Es gilt dabei, terroristische Taten nicht verschämt mit der Religion zu verbrämen, sondern als das zu benennen, was sie sind, nämlich ein Verbrechen und ein Angriff auf die Demokratie.
Wenn es mit Yassir Eric gelingt, „über stumme Sprachen zu reden“ (z.B. auch über Gefühle, Respekt, Konventionen, Sitten und Gebräuche), kann der Alltag miteinander erlebt und geteilt werden, und dann gelingt Integration.
Angela Madaus
